"Aber schön muss sie sein..." Vielleicht hast du diese Zeile des Liedes vom Original Alpenland Quintett auch schon gehört. Als Fotograf höre ich immer wieder, dass der Mensch, der vor meiner Linse steht, eben nicht "schön" oder "fotogen" genug sei. Letzthin hörte ich das wieder von einem Kunden. Und prompt war er vier Stunden bei mir. Nicht, weil ihm die Bilder nicht gefallen haben, im Gegenteil. Er wollte nicht mehr aufhören.
Während dieser vier Stunden haben wir natürlich nicht nur fotografiert sondern mehr diskutiert (über alles mögliche) und gelacht. Mir ist es wichtig, dass sich die Leute vor meiner Kamera wohl fühlen. Wir wollen so authentische Bilder wie möglich erhalten. Vor einer Kamera zu stehen ist für den grössten Teil der Menschheit ungewohnt, in einem Studio mit Blitzen und vielen technischen Geräten noch viel mehr. Da ist das Zwischenmenschliche dann umso wichtiger. Dieses hilft, eine gewisse Lockerheit vor der Kamera zu erreichen. In dieser Podcast-Episode nehme ich mich drei Themen an: Schönheit, Fremdwirkung und FotografInnenwahl.
Ich glaube, dass jeder Mensch etwas an sich schön findet, einige finden wahrscheinlich mehr "unschöne" Sachen an sich. Doch was ist schön und was nicht? Zum Thema Fremdwirkung komme ich weiter unten. Hier scheint es mir erst mal wichtig, dass du dich aufs Positive fokussierst. Klar, wenn du ausschliesslich deine Füsse schön findest, dürfte es schwierig werden, die in ein klassisches Portrait für die nächste Bewerbung aufzunehmen. Aber vielleicht gefallen dir deine Haare? Augen? Nase? Lippen, Zähne und so weiter. Es gibt viele Möglichkeiten, das Positive hervorzuheben. Hast du eine Schokoladenseite? Dann zeige sie. Vertraue dir und der Person hinter der Kamera, dass ihr heute das beste Bild von dir erstellen werdet.
Verwandle das Shooting in ein Erlebnis: Gehe vorgängig zum Friseur, lasse dich schminken. Schliesslich bist du entweder auf der Suche nach deinem nächsten Job, präsentierst dich auf der Webseite deiner Firma oder möchtest einfach für dich ein paar schöne Erinnerungen.
Ich habe oben kurz das Thema Fremdwirkung anpesprochen: Du siehst dich tagtäglich im Spiegel. Du gehst jeden Tag mit dir duschen. Das heisst du kennst dich und weisst, wie du aussiehst und das wirkt. Wirklich?
Ich hatte vor einiger Zeit ein Shooting mit einer rundlichen Frau. Sie hatte abgenommen, nahm dann aber aus verschiedenen Gründen wieder zu. Verständlicherweise war sie enttäuscht und sah nur "ihre dicken Beine" (ihre Worte). Und die waren auf jedem Bild! Ich habe ihr dann gesagt, dass nur sie ihre Geschichte kenne und fremde Menschen beim Einkaufen weder sie noch ihre Gewichtszunahme kennen. Sie sehen einen sympathischen und lächelnden Menschen, denn so wirkte sie auf mich. Ob sie jetzt gross, klein, dick oder dünn ist, ist im ersten Moment überhaupt nicht relevant. Fremde kennen sie ja nicht anders. Bei uns allen ist das so. Also, sei nicht zu streng mit dir und vertraue auch der Fotografin/dem Fotografen, wenn sie ein Bild schön finden. Sie kennen dich in der Regel nicht und sehen einfach einen Menschen auf einem Bild, der sympathisch und "echt" rüberkommt oder eben auch nicht. Ich finde diesen Prozess auf alle Fälle sehr spannend, wenn es darum geht, das beste Bild zu finden.
Wahrscheinlich hast du das bereits aus den vergangenen Zeilen herausgelesen: Portraitfotografie ist Teamwork. Wenn du dich nicht wohl fühlst, wird es keine guten Bilder geben. Wenn du keine Zeit hast oder bekommst, ebenfalls nicht, vor allem, wenn du ungeübt bist vor der Kamera. Und dasselbe ist übrigens auch wahr für die Person hinter der Kamera: Wenn ich mich unwohl fühle oder höre, dass kein Bild gut sei, ist es sehr herausfordernd, positiv auf die Stimmung einzuwirken und so doch noch ein gutes Resultat zu erreichen. Ich kann zwar unter Zeitdruck fotografieren, aber bevorzuge es, wenn ich die Person zuerst kurz kennenlernen darf. Wenn du dir eine Fotografin, einen Fotografen auswählen kannst, such dir einen Menschen aus, bei dem du dich wohl fühlst.
Portraits sind für mich etwas Intimes. Ein gutes Portrait zeigt Gefühle, Stimmungen, wenn möglich sogar etwas vom Charakter der portraitierten Person. Das wollen und können wir nicht mit jeder Person teilen. Das "beste" Portfolio, die schönste Fassade einer Weltklassefotografin/-fotografen werden dir nicht helfen, ein gutes Bild von dir zu erhalten, wenn dir die Person hinter der Kamera nicht einigermassen sympathisch ist.
Nimm dir Zeit für ein Portraitshooting und lasse dich von einem Menschen fotografieren, der dir sympathisch ist. Ihr müsst nicht die besten Freunde werden, aber es ist wichtig, einander zu vertrauen. Mach das Shooting zum Event, feiere dich und deinen Mut, dich ablichten zu lassen.
Diese Punkte sind übrigens auch wichtig für Firmen. In der nächsten Episode werde ich mich diesem Thema widmen, du darfst also gespannt sein. Wenn Du mehr zum Thema erfahren möchtest, kannst du dich bei mir melden.
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